@Worseck,
bei mir ist es umgekehrt. Ich betrachte das Wort
'gehoerlos' immer medizinisch. Das Wort sagt ja "ohne Gehoer". Es wird gleichbedeutend zu "Ich kann nicht/nur ein wenig hoeren".
Eine Identitaet oder Kulturzugehoerigkeit anzugeben ist relativ neu. Frueher im 19. und fruehen 20. Jahrhundert war
'taubstumm' ein Identitaetslabel (Siehe O.F.Kruses
'Taubstummennatur'). Im englischen Sprachraum wird die englische Grossschreibungsregel fuer Ethnizitaet (= dem Volkstum betreffend) zunutze gemacht und
'Deaf' ist entstanden worden. In Deutschland nehmen viele taube Personen fuer Identitaet das englische
'deaf' in Kleinschreibung, weil fuer sie
'gehoerlos' medizinisch klingt.
Ich habe deshalb das bisher nicht haeufig gebrauchte Wort
'taub' wiederaufgelebt und ihm die ethnische Bedeutung beigegeben. Weil die ethnische Bedeutung neu ist, muss man sich daran angewoehnen und das Wort zwecks Identitaetsangabe zu verwenden. Ich erachte diesen Angewohnheitsprozess als nicht zu gross aus vielen Gruenden: bekannter bei Deutschsprechern, gelaeufiger als 'gehoerlos' und schneller von Hoerenden verstanden, weniger "komisch" (Sinnesverlust nicht mit -los angegeben!), leichter von Tauben ausgesprochen, wird schon von uns und von Hoerenden gebraucht u.a. Und wenn das Wort die mangelnde Hoerunfaehigkeit wegen Ursprungsbedeutung ab und zu aufgefasst wird, ist nicht so schlimm, weil das auch stimmt. In diesem Fall koennen wir weiter ueber das Taubsein reden, ueber den Gebrauch von GS usw. Die Konnotation (= Nebenbedeutung) von Taubsein als Lebensstil mit GS-Benutzung wird dann mit der Zeit und haeufigem Gebrauch herausgeschaelt.
Mit dem Identitaetsbegriff brauchen wir uns nicht den Kopf brechen, wer taub, gl oder sh ist, weil die Medizinitaet aus dem Wort genommen wird. Es hilft, wenn das Teil
'hör' nicht im Identitaetslabel enthalten ist. Die Wichtigkeit der Hoerfaehigkeit wird in unserem Sein durch das Fehlen dieses Wortteils geschmaelert.
Ist das Wort
'Muttersprachler' schon gang und gaebe? Wo hoerst du, Worseck, das Wort erwaehnt? Man muss Sebastian Sick fragen, der ueber den Gebrauch vom Suffix
'-ler' einen Artikel schrieb, was er von diesem Wort denkt. Siehe Zwiebelfisch:
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,269830,00.html
@Pyros,
die genauere Analogie fuer
'hoerende Gebaerdende' im Wortaufbau ist
'hoerende Sprechende', was wohl nach deinem Sprachgefuehl grausam ist. Wenn fuer dich
'Gebaerdende' passend ist, sollte doch
'hoerende Gebaerdende' auch passend sein, nicht?