Miriam,
bist du der Meinung, dass mit dem Stichwort “Lebensqualität” das CI, die Schönheitsoperation und andere fürs Leben nicht notwendige Operationen Reklame gemacht werden darf?
Bist du auch der Meinung, dass Diskriminierungen in Wort und Tat, Vorurteile, aufgestellte Erschwernisse und das Aufbauschen von falschen Wertidealen NICHT der Grund für das Schmälern von Lebensqualität vieler sind?
Was hältst du von Diskriminierungen, Vorurteilen, aufgestellten Erschwernissen und dem Aufbauschen von falschen Wertidealen? Wenn du sie auch verurteilst, was würde dein Beitrag zu deren Abbau sein, besonders im Bereich des Taubenwesens?
Zitat:
Normalhörende sollen die Gebärden lernen … das ist falsch … müssten alle auch türkisch, polnisch … lernen.
Wir verlangen nie, dass
alle die GS lernen müssten. Wir verlangen nur, dass genügend Menschen unsere Sprache lernen. Dolmetscher werden sowieso benötigt. Sogar oral-orientierte, schwerhörige und zweisprachige, d.h., auch solche in Deutsch kompetente Personen beanspruchen genauso viel oder häufiger Dolmetscher wie GS-benutzende taube Personen. Das hat sich so in den USA und Grossbritannien schon ergeben. Es wird sicherlich in Deutschland wegen dem Recht aufs Dolmetschen im Gleichstellungsgesetz kommen.
Das
’für sich in seiner Minderheit leben’ als Alternative zu CI/Oralmethode/Monolingualismus ist nur eine Nachplapperei der GS-Gegner. Das stimmt nicht. Wir leben auch in der Gemeinschaft mit Hörenden, verbringen die meiste Zeit mit ihnen und wir haben uns danach eingerichtet. Wie weit die “Integration” für uns geht, hängt ganz allein von der Gesellschaft ab, inwiefern sie die Barriere abbaut oder abzubauen gewilligt ist. Unser einziger Beitrag zur Integration liegt in zwei Dingen: (1) Deutsch als Zweitsprache, mündlich oder in Schrift, zu lernen, soweit die pädagogische Fertigkeit uns bringt, und in Deutsch mit ihnen zu kommunizieren, soweit das praktisch je nach Situation geht, und (2) die Kultur des Landes zu kennen.
Die Begründung von “Chance auf ein Hören” ist ungerechtfertigt für die grossen Kosten für die CI-OP und die nachfolgende Rehabilitation. Manchmal sind weitere Operationen notwending. Wer kauft denn ein teures Auto nur auf die Chance des Fahrens? Die Krankenversicherungskosten werden höher, die wir auch mittragen müssen. Wir zahlen die gleichen Versicherungpramien, auch wenn wir kein CI wünschen!
Wie kannst du sagen, dass wir unsere Kinder vergewaltigen, wenn wir unseren Kindern kein CI wünschen? Das CI selbst ist Experiment, weil nicht vorausgesagt werden kann, ob dabei mehr als Geräuschhören herauskommt. Mit dem CI werden taube Kinder nicht automatisch hörend im Sinne offenes Sprachverstehen durchs Ohr, auch nach jahrelanger Training. Wir sehen dagegen als Gewalt an, wenn auf uns das aufgezwungen wird, nur wegen der Chance auf ein Hören.
Eltern müssten nicht dazu aufgedrängt werden. Sie müssten zuerst den Wert des Hören relativieren, unsere weltweit überwältigende Ablehnung verstehen lernen, um sich für die körpereingreifende OP ihres tauben Kindes
nicht aus Vorurteil gegen Taubheit zu entscheiden. Es genügt nicht nur die Risiken der OP zu wägen, mit ein paar tauben Personen zu besprechen, ein wenig GS zu beschnuppern, einige implantierte Kinder zu sehen. Es ist keine Gesundheitsentscheidung. Es ist nur eine Entscheidung, ob ein Leben als eine taube Person akzeptabel ist. Mit der Entscheidung für die OP auf Grund von Ablehnung von Taubsein als Lebensstil wird die traurige Vergangenheit des Oralismus fortgesetzt und den Audismus in der Gesellschaft weiter gepflegt. Wie früher, werden viele taube und schwerhörige Menschen, auch mit CI wie jetzt mit HG, wegen Kommunikations- und Sprachdefizite, Identitätsschwierigkeiten und auch wegen dem weitergepflegten Audismus leiden. Es ist anthropologisch, soziologisch und linguistisch wichtig, dass taube Menschen in genügender Zahl in der Menschheit wegen Vielfalt existieren. Die Eltern sind nicht nur für sich und ihre Kinder verantwortlich, sondern auch für die Humanität der Menschheit.
Ich habe nichts gegen “CI und DGS”. Wir waren auch nicht gegen das HG eingestellt. Ich kann mich nicht erinnern, je etwas im Laufe der letzten 45 Jahren gegen das HG gelesen oder gehört zu haben, wie jetzt gegen das CI. Aber soweit das CI als Instrument zur Vermeidung der GS und des Lebens in Taubsein dient und der Audismus in der Gesellschaft weitergepflegt wird, muss gegen das CI-Einpflanzen bei Kindern plädiert werden, bis die Wertrelativierung des Hörens bei den Entscheidungsträgern sich durchgesetzt hat.
In Norwegen und Schweden, wie mir bei einer internationalen Konferenz berichtet wird, müssen Eltern zuerst eine psychologische Beratung und Examination durchgehen und sich bescheinigen, dass ihre Entscheidung fürs CI ihrer Kinder nicht aus Antipathie gegen Taubheit, Taubseinskultur und der GS gefallen ist, bevor eine OP durchgeführt wird.
Das Mädchen aus Rumänien im Film wurde nur aus Audismus operiert, da es davon offensichtlich nichts weiter als Geräuschhörfähigkeit gewinnt.
Sind 200 Euros zu teuer für dich für die vier DGS Kurse? Wieviel bist du gewillt für einen Fremdsprachkurs, wie Englisch, zu bezahlen?