Hallo!
http://www.gl-cafe.de/viewtopic.php?t=20217
CrAzY_AnGeL hat geschrieben:
wie seid ihr in die welt der gehörlosen geraten ? *neugierig*
habt ihr davor etwas gehört ?? wie ist unser "ruf" ??
Ich bin „hörend“ aufgewachsen…meint: der Schall wird von den Hörnerven korrekt ans Gehirn geschickt. Dort allerdings? Nun, seehr oft während der Kindheit und auch bis heute ist es so, dass ich „Bahnhof“ verstehe. Inzwischen gibt es Diagnose
„Zentrale Hörverarbeitungsstörungen“. Wirkung ist ungefähr wie schwerhörig, aber Hörgeräte bringen da nichts. Nur Hörtraining, wenn man will.
Meine Seh-Verarbeitung ist ähnlich..auch da gibt es Verarbeitungsstörungen…und im Tasten, Schmecken, Riechen auch. Alles wird zuviel ans Gehirn geschickt und kann dort nicht richtig verarbeitet werden.
Seit Jahr 2000 gibt es in Deutschland für Betroffene wie mich eine Diagnose:
Asperger-Autismus.Ich bringe jetzt also erstmal meine Seh-Verarbeitung (visuell) in Ordnung. Dabei hilft mir das Training der DGS ganz prima.
Ich konnte ja auch Kontakte zu anderen Menschen nie aushalten. Also konnte ich keine Freundschaften bauen. DGS lernen hilft mir nun auch, Sozial-Regeln zu üben und Freundschaften in der GL-Welt zu bauen.
Als Kind hatte ich einen
Lebensbericht gelesen über Helen Keller (taubblind). Da war von so vielen Grenzen die Rede, wie ich sie ja auch im Alltag erlebte. Ich sah zwar, aber erkannte vieles nicht. Ich hörte zwar, aber verstand so wenig. Mein Tasten ergab so wenig Sinn in meinem Denken. Als Helen Keller ein Kind war, dachten die Leute, sie würde (weil nun taubblind) immer ein Leben als Schwachsinnige führen müssen. Aber stimmte nicht. Anne Sullivan kam dazu, war ihre Lehrerin. Helen Keller konnte studieren.
Ich hab vor ein paar Jahren das Buch von
Emanuelle Laborit gelesen „Der Schrei der Möwe“. Sie spricht von der Glaswand, die sie von den Hörenden trennt. Genauso ging mir das auch. Alle Autisten erleben im Alltag ständig etwas, dass sie GLASWAND nennen. Wir sind dann von der Kommunikation mit Anderen (Hörenden, gl/sh egal) abgeschnitten. (diese „Glaswand“ ist nicht real da, sondern fühlt sich nur so an. Man könnte auch „Plastiktüte über die Haut gezogen“ sagen…oder „Aquarium“).
Und hihi…“reale Glaswand“ ist nun etwas, dass GL / Gebärdensprecher kaum von der Kommunikation abhält. Das zu sehen und selbst mitmachen zu können, ist für mich eine groooosse Erleichterung. Ganz grosse Freude!
Nächster Grund: Mein jüngerer Sohn ist schwerhörig. Ihm möchte ich Angebot geben, sich für Lautsprache oder Gebärdensprache nach Gelegenheit zu entscheiden. Im Alltag ist es einfach klasse, wenn wir das Hören einfach abschalten können. In der SBahn oder im Schwimmbad oder im Restaurant. Überall wo es chaotisch-laut ist für Lautsprache können wir gebärden. Leider will mein Sohn derzeit nicht gebärden. Er will hören können…und „ganz normal“ sein (nicht schwerhörig). Er ist ja auch Asperger-Autist wie ich. Es wird noch Zeit brauchen, bis er da klarkommt.
----------------
Rainbow hat geschrieben:
Übrigens hatte man mir vorher sogar eher geraten, NICHT mitzuschreiben, sondern einfach hinzusehen, weil es vor allem wichtig wäre, ein Gefühl für die Gebärdenspra-che zu bekommen. Insofern war ich etwas erstaunt, hier Nayumas Schilderungen aus ihrem DGS-Kurs zu lesen....
Mein erster DGS-Lehrer war Gunter Trube (damals noch Puttrich-Reignard). Er hatte sich auch lustig gemacht, über meine Notizen. Da ich nahezu alles autodidaktisch lerne, ist mir egal, was ein Lehrer mir sagt. Ich musste es ja immer selbst schaffen, mir den Lernstoff zu erarbeiten. Irgendwie hat das Gunter nach ner Weile auch verstanden. Heute ist er der bisher einzige Lehrer, von dem ich nun direkt lernen kann. Ich bin sehr froh, dass ich von Gunter lernen darf!
-----------------------
Rainbow hat geschrieben:
Nur mußte ich mir erstmal, wenn ich die Gebärde gesehen habe, eine Umschreibung dafür ausdenken, die dann zu Papier bringen, und bis ich damit fertig war, war der Dozent schon weitergegangen und ich hatte einiges verpaßt. Zum Teil hat er dann die Gebärde in der nächsten Stunde auch anders gezeigt, als ich es mir notiert hatte ....also es ist schon leichter, wenn ein Wort einfach nur mit einem anderen Wort übersetzt wird und man das dann lernen muß.
Hmm, Gunter hatte uns zwar gleich in DGS1 gesagt, dass es in der DGS keine „Hochsprache“ gibt, sondern nur Dialekte (ca 50). Aber was das wirklich bedeutet, hat man als „Nur-Lautsprachler“ ja keine Ahnung von!
Wenn man DGS lernt, ist glaub eine der ganz grossen Hürden, dass ja nicht nur eine neue „Sprache“ erlernt werden soll (analog zu Laut-Fremdsprache), sondern dass ein ganz neues Gebiet im Gehirn nun zuständig sein soll, um Sprache zu verarbeiten….und das auch noch in ziemlich hohem Tempo! Die Nervenzellen müssen da also erstmal ne Weile wachsen, um dann ihre Aufgaben leisten zu können.
Die nächste, aber parallele Hürde beim DGS lernen ist glaub ich, die Toleranz wegen der Dialekte aufzubauen. Ich glaub jeder Lautsprachler aus fremden Landen würde eine absolute Krise kriegen, wenn er 50 deutsche (Lautsprach-)Dialekte mehr oder weniger parallel lernen sollte! Stellt Euch mal einen russischen oder spanischen Lautsprachler vor, der keine deutsche Hochsprache lernt..sondern Bayrisch, daneben Sächsisch, daneben friesisches Platt, daneben Hessisch, daneben Berlinerisch….usw. Das dauert unglaublich lange, bis man da den Durchblick kriegt! In den Kursen ist es jedenfalls so, dass jeder neue DGS-Dozent mit grösster Selbstverständlichkeit seinen EIGENEN Dialekt mit einbringt…und erwartet, dass wir Kursteilnehmer das nun verstehen. Wir Kursteilnehmer haben zuvor meist bei verschiedenen Dozenten Unterricht gehabt, kennen darum ganz verschiedene Dialekt-Gebärden. Das dauert lange, bis da eine Kommunikation möglich ist.
Die nächste Hürde beim DGS lernen (Problem derzeit geringer werdend): Man bekommt gesagt, es gäbe keine Schriftsprache in der DGS. Stimmt ja auch. Aber sonstiges Material um zuhause lernen zu können?....Lautsprachler sind vom Lernen anderer Fremdsprachen gewohnt, dass sie Arbeitsmaterial mit nachhause nehmen können…und dieses ist dann zuverlässig!
Die nächste Super-RIESEN-Hürde: Da hat zum Beispiel ein Lautsprachler bisher tapfer die Kurse DGS 1-3 durchgestanden…..hat sich viele der Gebärden-Vokabeln eingeprägt und denkt, er könne nun „gebärden“…Ergebnis: Irrtum!...grins
Wenn man viel Glück hat, gerät man in einen Gebärden-Stammtisch. (hier Erlebnisberichte von vielen Malen Teilnahme in Berlin-Friedrichstrasse, Cafe Hands Up und Cafe Persil, sowie Crellestrasse Cafe Toronto). Aber da sind dann meist die Hörenden unter sich. GL, die dazu kommen? Nun, da gibt es dann meist die „übliche“ Trennung. Die Hörenden, die schon etwas besser gebärden können, die werden als „Hilfs-Dolmetscher“ rangezogen.
Man braucht als Hörender da also viel Geduld, um die eigene Gebärdenkompetenz auszubauen. Ich hab einen Tread gebaut in GL-Kultur. Titel: „Gebärdenkompetente Hörende in der GL-Kultur: Regeln was?“
Link zum Tread:
http://www.gl-cafe.de/viewtopic.php?t=33371
Bitte schaut mal, ob Ihr was dazu schreiben könnt. Wäre toll!
Es könnte den jetzigen DGS-Anfängern gewaltig helfen, einen Einstieg in die GL-Kultur zu finden, wenn die gewünschten Regeln im Umgang mit Hörenden da klarer wären. Was meint Ihr?
Lg von biene63