Lassen wir mal beim Fehlen oder Verminderung des Gehörsinns bleiben und lassen wir andere Körperverschiedenheiten draussen halten. Sie sind anders und können nicht mit Taubheit verglichen werden. Nur die Betroffenen dürfen über ihre eigene Abweichung sprechen. Also dürfen wir nicht das Vergleichen mit Blinden, Rollstuhlfahrern usw. erlauben.
Grossmaul, 30.04.03 - 13:05, bringt die Definition:
"'behindert'-Definition: Wenn irgendein Körperteil beschädigt ist oder nicht richtig funktioniert, ist man behindert."
Der Begriff "behindern"/"Behinderung" entstand im Zusammenleben mit Andersartigen und bedeutet nie "geschädigt" am Körper, sondern die Barrieren, Diskriminierungen, Vorurteilen, die von der Gesellschaftsmehrheit der andersartigen Minderheit auferlegt worden sind. Hörende Rollstuhlfahrern von der Behindertenbewegung waren von der Lebensweise und Ansichten tauber Menschen, dass nichts falsches an Taubheit liegt, so sehr angetan, sodass sie den Begriff "behindert" gekreiert (=eingeführt) haben. Aber manche haben den "neuen" Begriff falsch verstanden und benutzen ihn aus Angewohnheit als Euphemismus (= "schönfärbendes Wort") statt "geschädigt". Aus "hörgeschädigt" wurde "hörbehindert". Die Lexikonredakteure, wie Immortal King später unten angibt, haben diese Entstehungsgeschichte übersehen.
Immortal King, 01.05.03 - 21:43, schreibt:
”Ja, ihr SEID behindert, egal ob mit oder ohne Barriere. (...). Ich jedenfalls fühle mich gehörlos, d.h. auch behindert, nehme Probleme mit der Umwelt wahr, jedoch mache ich kaum einen Hehl daraus. Es wäre in meinen Augen eine Lüge, wenn ein Gehörloser sagt, er fühle sich nicht behindert, obwohl er genau wegen seiner Gehörlosigkeit Probleme bekommt. Das wäre Verdrängung imho... Zu sagen, man sei nicht behindert, bewirke dann vielleicht das Gegenteil von der Absicht, besser mit der eigenen Behinderung umzugehen; es wäre möglicherweise besser zu sagen: Ja, bin behindert, hab deswegen Schwierigkeiten, na und?"
Es geht nicht um wie man mit eigenem Hörunvermögen umgeht. Schwierigkeiten, die wir haben, liegen nur im Kommunikationsumgang mit Hörenden, und sonst nichts. Diese Schwierigkeiten vergleichen praktisch identisch mit denen der Hörenden, die nicht-gebärdend in unseren Kreisen verkehren, genauso wie ein Ausländer in Deutschland. Ja, "na und" (englisch besser: "so what!") betrifft nur dem Hörunvermögen. Niemand soll zu "Schwierigleiten", die tatsächlich Diskriminierungen sind "so what" oder "na und" sagen. Man soll gegen gesellschaftliche Diskriminierungen/Benachteiligungen angehen!
Der Satz von VILO OF BERLIN (06.05.03 - 10:19) ”ich bin gezwungen ein behinderter zu sein." macht nur Sinn in der gesellschaftlichen Betrachtung, nicht als Körper(Sinnes)geschädigten. Der Satz wird genauer mit einem Zusatzwort "gesellschaftlich", wie in "ich bin gezwungen, ein gesellschaftlicher behinderter zu sein." Der Satz "ich bin gezwungen, ein körper-(bzw. hör-, seh- usw.)behinderter zu sein", macht wenig Sinn.
Immortal King, 01.05.03 - 23:18, schreibt weiter:
"Nur so ein Gedanke: Bei Rollstuhlfahrern ist es unmöglich anzupassen, hast gesagt. Es könnten dann vielleicht Kurse für Rollstuhlfahrer angeboten werden, mit ihren Rollstühlen mit genug Anlauf die Treppen 'besteigen' zu können"
Ja, das wurde vorher und jetzt noch bei tauben Kindern gemacht: ausschliesslicher Oralismus und überbetriebenes Hörtraining.
Zizou, 02.05.03 - 22:46, schreibt:
"Sprachbehinderung ist, wenn man nicht gut sprechen kann, also z.b. stottert usw... "
Eigentlich betrifft Stottern und andere Sprechfehler dem Sprechen, nicht der Sprache, also kann man von "Sprechbehinderung" reden, nicht von "Sprachbehinderung". Aber wir sollten lieber nicht über diese Leute reden und ihnen Namen geben. Ziehe lieber keine Beispiele aus anderen Gebieten ins Taubenwesen hinein. Das verwirrt! Wenn zwei einander nicht verstehen wegen der Sprachverschiedenheit, werden - ich glaube - nicht als "Behinderung" angesehen. Die Behinderung in unserem Falle kommt von der diskriminierenden Behandlung unserer Gebärdensprache seitens bestimmter Hörenden.
@Bengie,
Ich stimme mit Deinen Gedanken überein. Nur sprachlich in Deinem Beispiel von der Treppe hat Immortal King Recht. "Behindert" bedeutet "betroffen sein" (in Leideform oder Passivform) und "behindernd" bedeutet "Behinderung machen/erzeugen". Die Treppen behindern Rollifahrer. Sie sind behinder[u][b]nd[\b][\u] für einen Rollifahrer. Du versuchst zu schreiben, dass eine Treppe einem Rollifahrer die Ursache der Behinderung darstellt und eigentlich nicht dort sein sollte, und dass der Rollifahrer nicht behindert sein würde (notiere: Passivform), wenn es keine Treppen gäbe. Es ist nur eine Sache der ungenauen Formulierung.
Sprachlich genauer sagt man "ich bin/wir sind behindert (von manchen Hörenden)", nicht "ich bin/wir sind durch Hörunvermögen behindert.Oder: Mein Kann-nicht-Hören behindert mich." Siehe, dort ist kein Wegleugnen oder Verdrängung von Nicht-Hörenkönnen und Schönrederei. Auch macht es keinen Sinn von "HÖRbehindert" zu reden. Weiter über "Hörverlust": für einen Taubgeborenen gibt es kein Hörverlust! Wer von uns sucht eigentlich nach Gehör? Nur solche Spätertaubten, die ihr Hörverlust psychologisch noch nicht verkraftet haben!
Hartmut
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