Im Thread » Gebärdensprache & Kommunikation» "gl/sh in Bewerbungsschreiben angeben?" wurde "Audismus" off-topic diskutiert. Daraus kopiere ich die Off-Topik Antworten und stelle sie hier hinein. Hier kann das Thema besser weiter diskutiert werden.
*bengie*
18.01.07 - 12:59:38
Hans Busch, eheh.. wie würdest du "Deafismus" definieren? Hast
du wirklich den Eindruck, dass Antiaudisten danach streben, dass
die Taubheit und die Gebärdensprache über alles stehen?
*Hans Busch*
18.01.07 - 18:50:44
@bengie,
ich soll ?Deafismus? definieren? Ich dachte, du weißt schon alles???
Schon selbst mit deinem Wort ?Antiaudismus? hast du schon alles gesagt. Ja, richtig. Ganz einfach und kurz:
?Deafismus ist Antiaudismus.? oder Audismus ist Antideafismus. smile.gif
Und du fragst nach meinem Eindruck. Genau diesen Eindruck habe ich bei deinen allen Postings beim Thread ?Gehörlosigkeit ist
selbstverständlich?? bekommen. eyewink.gif
Ehrlich zugegeben denke ich, eine deafistische Bewerbung hat weniger
Erfolg in der Hörendenwelt und wäre aber wahrscheinlich sehr erfolgreich in der Gehörlosenwelt. eyewink.gif
Siehst du es aber anders?
*bengie*
18.01.07 - 19:10:30
Hans Busch,
Lach, ich dachte bei dem "Deafismus" wohl an eine Einstellung, dass das Gehörlos-sein besser sei als Hörend-sein. Du meinst wohl anders. Also die Einstellung, dass das Hören nicht über alles ist und Taub-sein genauso (nicht mehr, nicht weniger) super ist. - Die deafistische Bewegung kann bei Hörenden (für mich gibt es keine "Hörendenwelt") irgendwann mal erfolgreich sein..
Hoffen wir doch druff! =)
*Hartmut*
20.01.07 - 07:20:22
@bengie, Hans Busch,
meint ihr mit
'Deafismus' etwa "Deaf-Patriotismus"? Wird wirklich von uns allgemein patriotisch gedacht, dass "Gehoerlossein besser als Hoerendsein sei"? Ein einzelner mag das sagen. Aber in unserer Taubseinskultur? Also wage ich zu sagen, dass so was wie "Deafismus" oder "Deaf-Patriotismus" allgemein nicht bei uns gibt.
Ich sehe das mythische "Deaf-Patriotismus" nicht als "Gegenteil" von Audismus. Das Gegenteil ist die gesellschaftliche Relativierung des Wertes des Hoerens und des Sprechens, Annahme von Taubheit als Gutes (statt Defekt), als Selbstverstaendliches und als Beitrag zur menschlichen Vielfalt. Daraus resultieren dann ein menschenfreundlicheres, nichtaudistisches Verhalten gegenueber tauben Menschen mit dem Abbau von Kommunikationsbarrieren und anderen Formen von Benachteiligungen.
Das Wort
'Antiaudismus' benutzte ich ueberhaupt nicht. Ich kann mir den Sinn des Wortes nicht vorstellen. Niemand kommt auf
'Antirassismus', 'Antisexismus', 'Antiantisemitismus'. Nehme ich Rassismus als Beispiel: um das Wort geht es um das Problem wie gegen Rassismus voranzugehen sei zwecks dessen Verminderung oder Ausrottung. Das ist alles. In dem Begriff
'Rassismsus' drueckt schon aus, dass er nicht in einer humanen Gesellschaft geben darf.
Audismus ist kein "Hoer-Patriotismus". Es ist immerhin OK, dass Hoerende das Gehoer ueber alles lieben (und zwar fuer sich). Wir verstehen das und respektieren das. Audismus ist nur eine Zusammenfassung von gegen taube Menschen gerichtetem Verhalten in Einstellung, Wort und Tat, die diskriminierend sind. Deafmaxes "Jedem das Seine!" ist gerade das Motto. Hoerende lieben Sound, das ist OK. Aber bitte lass uns trotzdem taub zu sein!
Mich stoert die Wortneuschoepfungen des verdeutschten
'deaf',
'deafistisch'. Im Englischen gibt es so was ueberhaupt nicht, kein
'deafist' und kein
'deafistish'. Ich respektiere die englische Sprache und moechte nicht, dass mit diesen Verunstaltungen Schindluder mit dem englischen
'deaf' betriieben wird. Es gibt auch kein
'deafism' im Sinne von eurem "Deafismus" im Gebrauch bei den US tauben Leuten.
Hartmut
*Lukbo*
20.01.07 - 10:55:25
Aloha Hartmut,
tschuldige, wenn ich da einmische. Doch, ein paar Anti...ismen sind im deutschen Sprachgebrauch längst üblich.
http://de.wikipedia.org/wiki/Antirassismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus
*bengie*
22.01.07 - 17:42:44
Hartmut, ich hoffe, dir ist der folgende Zitat noch bekannt smile.gif
"Meine hörende Frau und ich erziehen meinen hörenden Sohn
antiaudistisch,
aber unterdrücken seine Vorliebe zum Hören, Musizieren und Singen
nicht und
geben gern Geld für ein teures Musikinstrument für ihn aus."
*Hartmut*
22.01.07 - 19:27:04
@Bengie,
ja, Lukbo hat Recht, dass die Wortformen
'Anti...ismus' in deutscher Sprache geben. Ich nehme das zurueck. In Wikipedia wird, z.B. Antirassismus als Zusammenfassung von Massnahmen zur Verringerung von Rassismus definiert.
'Antisexismus' steht auch dort, aber noch nicht definiert. Nicht alle diskriminierende Ismen haben ihren Anti...ismus.
Es stoert mich nur, die Massnahmen zur Verringerung der diskriminierenden Verhaltensweisen mit einem Ismus zu benennen, wenn die diskriminierende Geisteshaltung nicht miteingeschlossen ist. Ein Ismus gerichtet gegen eine Menschengruppe ist fuer mich primaer die Geisteshaltung, aus der Diskriminierungen herleiten. In der Gruppe von Massnahmen zur Bekaempfung von Audismus schliessen keine Diskriminierungen gegen Hoerende ein.
Viele der diskriminierenden Ismen werden mit
'...feindlichkeit' umgeschrieben, z.B. Rassenfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit usw. und das englische
'ableism' wird zu
'Behindertenfeindlichkeit' auf Deutsch. Dann kann
'Antiaudismus' mit "Hoerfeindlichkeit" wegen Vermeidung von Fremdwoertern umgeschrieben werden. Aber es ist gar keine Feindlichkeit gegen Hoerende und gegen alles Akustische im Audismus enthalten, [Nachtrag: wenn wir uns um die Verringerung von Audismus bemuehen].
Ich schrieb, dass ich
'Antiaudismus' nicht benutze. Das schliesst natuerlich nicht ein, dass ich das Adjektiv
'antiaudistisch' auch nicht benutze. Ich benutze das Wort 'Antisemitismus', weil die Geisteshaltung gegen die Juden der Hauptinhalt ist (Semitismus selbst ist kein diskriminierender Ismus). Es ist ein Ismus der Antisemiten (= Gegner, Feinde der Juden), nicht ein Ismus zur Bekaempfung von Semitismus. Daher schreibe ich oben, dass das Wort 'Antiantisemitismus' nicht gibt.
Hartmut
*Voghel*
22.01.07 - 23:51:21
Ich kenne das Wort Deafismus nicht. Es sieht wohl nach einer Reaktion gegenüber dem neuen Wort Audismus aus.
Der Begriff Audismus ist in Deutschland nicht mal alt, warum muss der Begriff schon so bekämpft werden? Erlauben wir uns doch etwas Gelassenheit und Ruhe! Die aufgeregte Diskussion wäre das Letzte, was wir brauchen. Die Radikaliserung ist auch nicht notwendig.
Die Taubheit und die Gebärdensprache sind ein Beitrag zur kulturellen Vielfalt, ohne diese wäre es ärmer. Genau das ist im Sinne der Deafhood/Taubsein a la Hartmut und Paddy!
Mit dem Begriff Antiaudismus wird der Eindruck erweckt, dass wir weiterhin kolonialisiert werden dürfen. Also von den Medizinern, die über unser Leben bestimmen können, als ob es nur ein Defekt wäre, das unbedingt zu verhindern gilt.. Nicht mit mir ;-)
Helmut
*Voghel*
23.01.07 - 08:45:57
Im letzten Posting im letzten Satz ist nicht Anitaudismus, sondern natürlich Deafismus gemeint.
Bin wohl auch etwas verwirrt, von den frei erfundenen Begriffen ;-)
Hier sind wohl Ursache und Wirkung verwechselt worden. Die Ursache ist die Ignorierung und Abwertung der Gebärdensprache als unsere Erstsprache.
Es ist eben das audistische System, das nach und nach offen gelegt werden soll und die Lebensqualität der gebärdenden Gehörlosen nicht beeinträchtigt werden darf.
*bengie*
24.01.07 - 00:33:46
Voghel, Antiaudismus heißt aber nicht die Ablehnung des Be-
griffes Audismus, sondern die Ablehnung der audistischen Ver-
haltensweisen, Denkweisen und Aktionen - also im positiven
Sinne! =)
Hartmut, gibt es inhaltlichen Unterschied zwischen dem Begriff
und dem Adjektiv?