Hi Bengie, nein, der Taubenschlag schreibt für sich selbst und ich schreibe für mich selbst.
Hier mein Text:
Ein Herz für Kinder?
Sehr geehrte Damen und Herren,
mir ist durchaus bewusst, dass die Sendung „Ein Herz für Kinder“ nun schon in 7.000.000 Haushalten angekommen ist und ein Leserbrief hier eigentlich ein völlig unzureichendes Mittel ist, um noch irgendetwas gerade zu rücken, was im Laufe der Sendung falsch oder irreführend berichtet wurde.
Auch Sie (Bild) als Initiator sollten wissen, was mit den Geldern gemacht wird. Dies Mail ging auch an das ZDF.
Ein Cochlear Implantat für Ingrid (6 Jahre)
Ich wurde, da ich mich seit vielen Jahren mit der Cochlear Implantation auseinander setze, mit vielen 100 Eltern deren Kinder ein CI haben in Kontakt stehe, von verschiedener Seite aufgefordert, die Darstellungen des CI durch Prof. Lenarz und die angebliche Hilfe für Ingrid zu relativieren.
Doch zuerst ein paar Richtigstellungen der Termini:
Gehörlose Menschen sind nicht taubstumm. Sie benutzen nur eine andere Sprache, die Gebärdensprache. Durch diese sind sie nicht mehr (taub)stumm. Dieses Wort „taubstumm“ wurde im Duden schon gestrichen, weil von Gehörlosen als diskriminierend empfunden. Ein Prof. Lenarz weiß dies sehr genau, und man kann es nur als Provokation und beabsichtigter Angstmache werten, dass er dieses Wort im Zusammenhang mit einer CI-Operation von gehörlosen Kindern benutzt.
Er sollte zu dem auch wissen, dass einem Kind mit 6 Jahren durch das CI keine Sprache in genügendem Umfang mehr zu Teil wird. Die kleine Ingrid wird nicht mehr lernen über das Ohr bzw. über das Implantat zu hören und wird mit Implantat nicht über das sprechen können, „was sie denkt und fühlt“. Sie wird nicht mehr davon profitieren können. Sie wird Geräusche wahrnehmen und sich damit aller Wahrscheinlichkeit nicht wohl fühlen, wie so viele andere in dem Alter operierte gehörlos geborene Kinder in der ganzen Welt. Leider konnte man Ihrem Bericht nicht entnehmen, wie viel Gebärdensprache dem Kind in Rumänien gelehrt wurde. Da wäre der bessere Ansatz für „Ein Herz für Kinder“ gewesen - dem Land Rumänien Gelder zur Verfügung zu stellen, damit gehörlose Kinder Gebärdensprache lernen können.
Als Nächstes ist mir als Kenner des CI nicht klar geworden, wo das Kind die nötige Rehabilitation nach Implantation bekommt. Es ist ja nun mal, wie auch gesagt wurde, nicht so, dass man mit dem implantierten CI sofort hört. Es muss gelernt werden und zwar mit regelmäßiger Unterstützung von Fachleuten! Das CI benötigt viele Neueinstellungen, es muss regelmäßig kontrolliert werden, ob die Elektroden noch funktionieren. Wo und wie wird das gewährleistet?
Es ist ja so, dass diese Technik doch relativ anfällig ist und es Kinder gibt, die schon mehrmals (bis 4-mal) reimplantiert werden mussten, aus verschiedenen Gründen, technischer Defekt, Infektion des Knochenbettes, Meningitis, Abstoßreaktionen oder Brechen des Gehäuses nach einem Stoß, Brechen der Elektroden etc. Ist es, sollte es so sein, dass sich Ingrid an das Hören gewöhnt, sicher gestellt, dass sie auch die Folgeoperationen bezahlt bekommt?
Bekommt Ingrid auch die doch sehr teuren Batterien in Rumänien bezahlt?
Wissen die Ärzte in Rumänien im Falle einer Meningitis oder im Falle eines Ausfalls des CI, was zu tun ist? Bekommt sie dort im Dorf schnell genug Antibiotika? Ist eine lebenslange Betreuung durch die Aktion „Ein Herz für Kinder“ gewährleistet? Denn die Menschen brauchen ein Leben lang die Unterstützung von Ärzten und Technikern.
Ich wünsche mir, dass die Sendung „Ein Herz für Kinder“ und alle Verantwortlichen, dieses Mädchen nicht aus den Augen lassen, es nicht vergessen und spätestens in ein bis zwei Jahren nachfragen, wie es ihr ergangen ist. Zu oft wird nur implantiert, der Profit bleibt in der Klinik oder beim Hersteller, aber die Kinder und Eltern werden später allein gelassen.
Ich kann verstehen, wenn man als außen stehende wie Frau Hörbiger und Herr Gottschalk von dieser Technik erst mal begeistert ist, doch sollte man sich nicht vorher Kenntnis verschaffen, wie viel Leid dieses CI auch schon geschaffen hat? Die Einführung ins Thema durch Frau Hörbiger hat viele Eltern, die bei ihren Kindern mit CI keinen Erfolg verzeichnen konnten oder deren Kinder nach Implantation viel Leid erfahren haben oder gestorben sind, (auch das kommt vor) vor den Kopf gestoßen.
Ich bitte Sie herzlich um eine Kontakt-Email zu Frau Hörbiger und Thomas Gottschalk, um ihnen die andere Seite aufzeigen zu können. Leider ist es heute immer noch so, dass gehörlose Kinder doch eher an die hörende Umwelt angepasst werden sollen, und ihnen verweigert wird, dass zu lernen, was sie wirklich brauchen, auch wenn es mit dem CI relativ gut klappt und keine von den vielen Komplikationen eintreten, die Gebärdensprache. Sie ist nicht nur ein rudimentäres Mittel zur Verständigung und man kann mit ihr alles ausdrücken, nicht so, wie im Beitrag erwähnt wurde, oberflächiges, wie Grundbedürfnisse. Sie ist eine anerkannte, vollwertige Sprache.
Hörende können sich leider nur unvollständig mit den Lebenswelten der Gehörlosen identifizieren, für Hörende ist es schlimm, sich vorzustellen nichts mehr zu hören. Gehörlose empfinden dies in Mehrheit anders. Die möchten nicht hören, sie möchten in ihrer Sprache und in ihrer Kultur leben, möchten sich nicht durch risikoreiche Operationen an die hörende Welt anpassen müssen.
Und um noch mal auf Prof. Lenarz zurückzukommen, Gehörlose brauchen kein CI, um mit der hörenden Umwelt in Kontakt zu treten und auch nicht, um Persönlichkeit zu entwickeln, zu einem intelligenten und glücklichen Menschen zu werden. Gehörlose in der ganzen Welt widerlegen seine Worte, die aber, und da bin ich mir sicher, von Prof. Lenarz mit Bedacht (Absicht) gewählt wurden.
Wenn Sie mir keinen Kontakt mit Frau Hörbiger und Herrn Gottschalk vermitteln können, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mein Schreiben weiterleiten könnten, beide könnten sich dann mit mir in Verbindung setzen, wenn sie mehr wissen möchten.
Hier noch ein paar Adressen zum Thema:
www.wir-gehoerlosen.de
www.taubenschlag.de
www.gehoerlosen-bund.de
Mit freundlichen Grüßen
Karin Kestner
Hufgarten 4 b
34302 Guxhagen
Tel: 05665 31 67
Fax: 05665 35 56
Email: karin @kestner.de
Internet:
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